Prof. Dr. Susanne Gehrmann, Prof. Dr. Arkadiusz Żychliński: „Von Müttern und Vätern bei Ken Bugul und Monika Helfer”

Moderation: Dr. Ewa Wojno-Owczarska
Wann: 22. Mai 2025 (Donnerstag), 11:30 Uhr
Wo: Strefa współPRACY, Wydział Neofilologii Uniwersytetu Warszawskiego (Neuphilologische Fakultät, Universität Warschau), ul. Dobra 55, Warschau
Die Vorträge finden auf Deutsch statt.
Bitte melden Sie sich bis zum 12. Mai an:
https://forms.gle/zDpZBwnzyBEp4JQ96
Online-Übertragung
Susanne Gehrmann ist seit 2011 Professorin für Afrikanische Literaturen und Kulturen am Institut für Asien- und Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin wo sie anglo- und frankophone Literaturen sowie afrikanisches Kino lehrt. Sie sudierte Literatur- und Afrikawissenschaften in Bochum, Paris, Köln; promovierte und lehrte in Bayreuth und war als Feodor Lynen Stipendiatin der Alexander von Humboldt Stiftung Gastwissenschaftlerin an der Universität Laval in Québec. Aktuell leitet sie das DFG-Forschungsprojekt „Au-delà des ténèbres. Repräsentation und Begründung von Gewalt in der kongolesischen Literatur nach 1960“ und die trilaterale Institutspartnerschaft (Berlin-Ibadan-Bordeaux) zum Forschungsthema „Exploring and Translating the Archives of Orphée noir – Schwarzer Orpheus – Black Orpheus“. Zuletzt erschienene Monographie: Autobiographik in Afrika. Literaturgeschichte und Genrevielfalt. WVT, Trier 2021; aktueller Sammelband Arts et activismes afroqueer. Littératures, images, performances. Karthala, Paris, 2024.
Abstract
Ken Buguls Suche nach der Mutter im postkolonialen autobiographischen Schreiben
Das autoreferenziell geprägte Schreiben der senegalesischen Autorin Ken Bugul, deren Pseudonym ‚niemand will sie‘ von der Schwierigkeit zeugt sich als afrikanische Frau als Schriftstellerin durchzusetzen, kreist seit den 1980er Jahren bis heute häufig um ihre Mutter. Die frühkindliche traumatische Trennung von der Mutter zieht sich als Wunde durch die autobiographische Trilogie der Autorin und mündet in den autofiktionalen Roman De l’autre côté du regard (2002), in dem ein Dialog mit der bereits verstorbenen Mutter inszeniert wird. Aus einer postkolonialen Perspektive kann die Mutter jedoch auch als Figur des Verlusts der Verwurzlung in der afrikanischen Kultur gelesen werden. Während die sogenannte ‚Mother Africa‘ Trope bei männlichen Autoren als Sublimierung des Kontinents eingesetzt wurde, schriebt Bugul sie subversiv-kritisch um. Der Vortrag stellt Ken Buguls Oeuvre vor und deutet die doppelte Bedeutung der Mutter auf der Folie der Theorie postkolonialen autobiographischen Schreibens.
Arkadiusz Żychliński ist Professor für Vergleichende Literaturwissenschaft und Übersetzungswissenschaft am Institut für Germanistik der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań, wo er Komparatistik, gegenwärtige Weltliteratur und Translatologie lehrt. Er studierte Germanistik und Philosophie in Poznań, Jena und Berlin und war Stipendiat u. a. des DAAD, der Konrad-Adenauer-Stiftung und – als Gastwissenschaftler an der Freien Universität in Berlin – der Alexander-von-Humboldt Stiftung. Er veröffentlichte vier Monographien (zuletzt über die Entwicklungstendenzen der Gegenwartsliteratur: Zwrot przez współczesną. Pryzmaty, Wrocław: Ossolineum, 2020) sowie ist Mitherausgeber von zahlreichen Sammelbänden. Derzeit arbeitet er an einem Buchprojekt über verschwörungstheoretische Motive in der modernen Literatur. Er ist außerdem Übersetzer und übertrug ins Polnische Autoren wie u. a. Uwe Timm, Alexander Kluge, Peter von Matt, Peter Sloterdijk und Lukas Bärfuss. Für die polnische Ausgabe ihres Romans Die Bagage (Hałastra) wurde Monika Helfer 2024 mit dem Mitteleuropäischen Literaturpreis Angelus ausgezeichnet; Arkadiusz Żychliński erhielt denselben Preis in der Kategorie Übersetzung.
Abstract zum Vortrag am 22. Mai
Monika Helfers Bagage-Trilogie als eine Neubelebung des petrifizierten Genres
Drei autobiografisch geprägte Romane der österreichischen Autorin Monika Helfer (1947) – Die Bagage (2020), Vati (2021) und Löwenherz (2022) – lassen sich in literarischer Hinsicht als gelungener Versuch betrachten, einen unverwechselbaren Ton in das heute äußerst gefragte Genre der Autofiktion einzubringen. In meinem Vortrag werde ich zunächst die Thematik dieser Werke skizzieren, um anschließend die gezielt eingesetzten stilistischen Kunstgriffe und ihre intendierte Wirkung zu beleuchten. Helfers Gedankenspiele über ihre eigene Familie, die sich über einen erzählten Zeitraum von etwa einem Jahrhundert erstrecken, zeigen aufschlussreich, wie eine Auseinandersetzung mit der persönlichen Geschichte durch subtile Verschiebung ins Außergewöhnliche verallgemeinerbar wird – und so zur Blaupause für die Erinnerungsarbeit der Lesenden werden kann.